
Aufzug 1. Akt
Du entschließt dich eines schönen Semesters zusammen mit deinen Freundinnen einen Tanzkurs zu besuchen. Ihr seid alle Single, unternehmungslustig und die Tanzschule ist gleich um die Ecke eures Campus und damit super easy für alle zu erreichen. Tanzen wolltest du schon immer mal so richtig können und nicht nur halbherzig hemmungslos betrunken in irgendeinem dunklen Club. Du möchtest Walzer tanzen und Rumba, in den Armen eines starken Mannes geführt werden und mit ihm gemeinsam lachen, wenn sich die Welt rund um euch zu drehen beginnt.
Der Kurs ist gut besucht und auch wenn keiner der vorhandenen männlichen Tanzpartnern in dir wirklich den Wunsch weckt sie auch als Partner der anderen Art in Betracht zu ziehen, so ist das Unterfangen ‚Tanzkurs‘ doch eine recht erfolgreiche Aktion. Langsam lernen deine Freundinnen und du die ersten Schrittkombinationen der einfachen Standardtänze, bekommt ein wenig Rhythmusgefühl und freut euch über den kessen Hüftschwung der bei jedem Mal weniger hölzern wirkt. Es ist nur logisch, dass ihr eure neuen Fähigkeiten auch außerhalb des Mittwochabend Kurses testen wollt und so entschließt ihr euch, einen der berühmt berüchtigten Tanzabende zu besuchen. Die Tanzabende werden einmal wöchentlich von der Tanzschule organisiert und sind sowohl Übungs-als auch Kupplungspflaster unter den tanzaffinen Studenten.
Gesagt getan, deine Mädels und du macht euch gemeinsam ausgehfertig, nippt ein bisschen am Campari-Orange Glas und habt schon eine Menge Spaß bevor ihr überhaupt in der Tanzschule angekommen seid. Dein Tanzpartner hatte leider keine Zeit und deswegen hat dir eine Freundin über eine Freundin einen anderen organisiert. Er studiert auch an deiner Uni, soll sehr groß sein und gut gebaut. Du freust dich schon ihn kennen zulernen, weil er angeblich nicht nur gut aussieht, sondern auch meeeega gut tanzen kann. „Ein echter Profi der Typ!“, verspricht dir deine Freundin. „Der ist sicher in jederlei Hinsicht ein Gewinn.“ Perfekt!
Ihr betretet den Tanzsaal und deine Freundinnen fallen ihren Tanz-Dates gleich um den Hals. Du kennst den Typen nicht der sich so kurzfristig bereit erklärt hat mit dir zu tanzen und schaust dich ein bisschen verlegen und suchend nach einem Unbekannten um. Es tippt an deiner Schulter und du drehst dich um. „Hey!“, meint der dunkelhaarige Anzugträger mit verbotem guten Knochenbau. „Du musst Lisa sein.“ Bist du Lisa? Du weißt es nicht mehr. Du weißt gar nichts mehr in diesem Augenblick. Aber verdammt du willst Lisa sein! „Ich bin Mark.“, meint er und schenkt dir ein Lächeln, das dich noch vor dem ganzen Drehen und Wenden und Wirbeln auf der Tanzfläche schwindelig macht. „Ich bin für heute Abend dein Tanzpartner, glaub ich?.“ Oh mein Gott jaaa! Du drehst dich, immer noch sprachlos, zu deinen Freundinnen um und sie grinsen dich alle breit an. Eine gibt dir sogar den Daumen nach oben. Der Abend ist jetzt schon ein Erfolg.
Es war keine Übertreibung, Mark tanzt einfach fabelhaft! Er lässt dich im Walzer links drehen, hat eine beneidenswerte Körperhaltung und macht dir Komplimente obwohl eindeutig klar ist, dass du nicht annähernd mit ihm mithalten kannst und er normalerweise geübtere Tanzpartnerinnen in seinen Armen die Realität vergessen lässt. In einer Pause holt er euch Drinks, setzt sich neben dich und ihr kommt ins Gespräch. Er ist interessiert und aufmerksam. Ein echter Gentleman. Du bereust es ein bisschen nicht besser tanzen zu können und jetzt verschwitzt vor ihm zu sitzen und dir nervös die Haare aus dem Gesicht zu streichen. Aber er lässt sich nichts anmerken, fragt ob du noch eine Runde weiter tanzen willst und natürlich schlägst du die Gelegenheit, dich in seinen Armen wiederzufinden, nicht aus.
Der Abend fliegt dahin und deine Freundinnen haben langsam aber sicher genug von Liedern wie Espinado corazon oder auch Hey big spender. „Lasst uns doch wo anders hingehen.“, schlagen sie vor und du fragst Mark ob er nicht mitkommen möchte. Er möchte. Seeeehr gut! Der Club ist nicht weit entfernt, du hängst dich am Weg dorthin trotzdem bei Mark ein. Er denkt es ist wegen deinen hohen Schuhen, aber du weißt es besser. Körperkontakt! Du kannst dir nicht helfen, aber du kicherst über alles was er sagt und kannst kaum die Augen (oder Finger) von ihm lassen. Alle wissen: du stehst auf Mark. Aber weiß Mark das auch?
Im Club selbst ist es laut und voll mit Feierwütigen. Dir ist klar, dass das nicht der Ort für tiefe Gespräche ist. Aber vielleicht für tiefe Blicke? Nachdem ihr alle nach ein paar Getränken wieder erfrischt seid, schreit dir Mark ins Ohr ob du tanzen möchtest. „Es ist zwar nicht Salsa…“, ruft er über die laute Musik hinweg. „Egal!“, brüllst du zurück und meinst es auch so. Du ziehst ihn auf die Tanzfläche. Sein Jackett hat er schon abgelegt, das Hemd leicht aufgeknöpft und es kostet dich ein bisschen Selbstbeherrschung nicht mit dem Finger über seine entblößte Haut zu fahren. Die Tanzfläche ist rammelvoll, er zieht dich an sich und du schlingst die Arme um ihn. Noch näher geht nicht. Fast nicht. Seine Hände gleiten über deinen Rücken und spielen mit den gebundenen Applikationen auf deinem Kleid.
„Der hat keine Freundin, oder?!“, ist das Erste was du deine Freundin fragst nachdem du sie erfolgreich aufs Klo gezerrt hast. „Nein!“, erwidert sie lachend und du möchtest sie küssen vor Glück. Tust du dann auch. „Dich hats ja ganz schön erwischt.“, meint sie wissend und deine glühenden Wangen sprechen für sich. „Oh Gott der ist soo süüüß!“, quietschst du in den Spiegel und versuchst deine Frisur zu retten. „Keine Ahnung was mit mir los ist!“ „War also eine gute Idee ihn für dich zu organisieren?“, fragt deine Freundin neckisch und hilft dir dabei deine Haare zu retten. „Mach sie doch auf. Das gefällt ihm sicher.“ Du nickst überschwänglich und betrachtest das Ergebnis im Spiegel. „Ob er mich auch mag?“ „Na er schaut sich zumindest nicht nach einer anderen um.“ Das macht Hoffnung. „Aber Babe“, sagt deine Freundin noch „Er hat ein bisschen den Ruf eines Womanizers also… sei vielleicht ein bisschen vorsichtig, okay?“ Rückblickend wäre das dein erster Warnhinweis gewesen.
Du bist natürlich nicht ’vorsichtig‘, weil Mark heiß ist und charmant und überhaupt alles hat, was du an einem Mann magst und brauchst. Es hat dich total erwischt. Irgendwo zwischen an der Schulter tippen und ‚hey‘ sagen hat dich Amors verdammter Liebespfeil erwischt und du beherbergst seitdem eine ganze Schmetterlingskolonie in deinem Bauch. Bist du fünfzehn oder Mitte zwanzig? Egal. Alles kribbelt und wuselt in dir und du willst mehr davon. Mehr von Mark. „Hey Hübsche.“, flüstert er dir in dein Ohr als du dich wieder zu ihm gesellst. Dein Lächeln spaltet vermutlich fast dein Gesicht, so groß ist es. „Lass uns nochmal tanzen.“, sagst du und er nimmt deine Hand und zieht dich hinter ihm her. Oh ja Tarzan!
Dieses Mal schmeißt du jede Form von Selbstbeherrschung über Bord und lässt deine Finger über seine offenen Hemdknöpfe tanzen. Es gefällt ihm. Du kannst es sehen. Er umfängt deine Hand, führt sie an seinen Mund, küsst sie und schließt dabei die Augen. Wieso findest du das sexy? Keine Ahnung. In seinen Augen tobt ein Sturm. Du willst, dass er nicht nur deine Hand küsst. Du spielst ein bisschen mit seinen Haaren und spürst wie seine Finger sich immer tiefer in deine Seite graben, sich sein Brustkorb schneller hebt und senkt. Zum Glück hast du hohe Schuhe an, denn so musst du dich nur ein bisschen auf die Spitzen stellen und ihn ein kleines Stück zu dir herunter ziehen um ihn zu dir und deinem Mund zu locken. Aber ziehen musst du ihn gar nicht, denn wie sich herausstellt kommt er dir ganz freiwillig entgegen. Eure Lippen berühren sich. Feuerwerke. Sterne. Ein Affe der zwei Schellen zusammenschlägt. Yes! So muss sich das anfühlen! Es gibt kein von 0 auf 100, denn es war gleich die 1000 und du vergisst, dass ihr auf einer Tanzfläche seid. Seine Hände wandern, hinterlassen brennende Spuren auf deiner Haut und deinem Kleid und packen dich an den richtigen Stellen an.
„Wow“, keucht er ein bisschen atemlos und du könntest das was da zwischen euch passiert nicht besser beschreiben. Er küsst dich gleich nochmal. Es wird immer schwerer sich voneinander zu lösen. „Ich wohn nicht weit von hier.“, sagst du, weil sich das alles hier so richtig anfühlt und dein ganzes Dasein von seinen Berührungen bebt. „Okay.“, haucht er und Gänsehaut breitet sich auf deinem ganzen Körper aus. „Ich hol noch schnell mein Sakko. Treffen wir uns draußen.“
Deine Freundinnen wissen was los ist noch bevor du ganz bei ihnen angekommen bist. Erklären musst du also nichts mehr. Draußen an der frischen Nachtluft wartet Mark auf dich. Er umfängt dich in einer Umarmung, dreht dich an die Hauswand und raubt dir den Atem. „Ich will dich.“, flüstert er in dein Ohr und fährt an ihm mit seiner Zungenspitze entlang. „Taxi.“, stammelst du, weil du in den scheiß Schuhen nicht laufen kannst und verzweifelt versuchst ein bisschen Restverstand zu konservieren. Er knutscht dir das letzte bisschen Anstand sowieso gleich aus dem Leib, also egal.
Im Taxi nimmt er dich in seine Arme, küsst und streichelt dir über deine Haare und drückt dich fest an ihn. „Ich mag dich.“, flüstert er und dreht dabei deinen Kopf von seiner Schulter zu seinem Gesicht, so dass du ihm direkt in seine braunen, dunklen Augen schauen kannst. “Ist das verrückt?” Nein, du findest nicht, dass das verrückt ist, denn schließlich spürst du auch, dass da mehr zwischen euch ist. Du wünschtest fast du würdest doch ein bisschen weiter weg wohnen. Tust du aber nicht und so steht ihr beide recht schnell in deiner kleinen Studentenwohnung.
Er sieht sich gar nicht erst um sondern fällt gleich über dich her und du findest, dass das die beste Art von Überfall ist. Du bist zwar ein bisschen erstaunt wie schnell er deinen BH geöffnet bekommt, hältst dich aber nicht weiter damit auf. Schließlich soll er ja auch runter. „Mann, du bist so schön!“, sagt er, hält dich ein bisschen von ihm weg um dich zu betrachten und beißt sich dabei auf die Unterlippe. Verflucht, du musst ihn haben! Sein Hemd landet am Boden, bei der Hose hilft er dir. Es braucht keine kleinen Stoßgebete, es ist klar, dass er dir mehr als ausreichen wird. Jackpot!
Er hebt dich hoch, atmet tief in deinem Nacken unter deinen Haaren ein und sagt dir wie gut du riechst. Du fühlst dich wie eine Göttin. Es macht dich fast wahnsinnig. Die Wohnung ist klein, er findet das Schlafzimmer auch ohne Anweisungen und legt dich behutsam aufs Bett. Eigentlich brauchst du kein Vorspiel mehr, aber er nimmt sich trotzdem Zeit. Küsst jeden verdammten Zentimeter deines Körpers. „Ich mag dich echt.“, sagt er während er auf dir liegt und mit einer Haarsträhne spielt. „Ich mag dich auch.“, antwortest du, weil du das ja auch wirklich tust und dein Herz dir fast in deiner Brust zu zerspringen droht. Er öffnet deine Beine leicht und kurz bevor es so richtig zur Sache geht hörst du ihn sagen: „Aber nur damit du weißt, ich suche nichts festes. Das ist doch okay für dich?“
Ende 1. Akt
Aufzug 2. Akt
Da liegst du also mit dem Traumtänzer im Bett, bist bereit dich ihm vollkommen hinzugeben und dann kommt nach den unzähligen: „Ich mag dich.“s und anderen Schmeicheleien die ‚Aber-es-ist-nur-Sex‘-Bombe auf die jede Single-Frau in dieser verrückten zwanglosen Dating-Welt eigentlich nur wartet. Ohne eine Antwort abzuwarten küsst er sich seinen Weg an dir nach unten und auch wenn das so ungefähr alles ist was du in diesem Moment willst, ist dir bewusst, dass du für ‚nur Sex‘ eigentlich zu viel Herzklopfen bei der Sache hast.
Na und? sagt dir die kleine Stimme in deinem Kopf, die in Cartoons vermutlich als rotes Teufelchen dargestellt wird und auf deiner linken Schulter hockt. Was ist schon dabei? Was ist schon dabei??!! flippt die andere Stimme in deinem Kopf aus, die in Cartoons vermutlich als kleines Engelchen auf deiner rechten Schulter abgebildet werden würde. Wir alle hier wissen doch, dass dich das später wieder innerlich auffrisst und du Gefühle entwickelst die du nicht annähernd kontrollieren kannst!
So ein Quatsch! Ein bisschen Sex hat noch niemandem geschadet.
Da möchte ich jetzt aber doch entschieden dagegen argumentieren!
Ähm…hallo? So wahnsinnig viel Zeit zum Argumentieren bleibt den Stimmen in deinem Kopf eigentlich nicht mehr, weil Mark von deinem inneren Zwiespalt nämlich telepathisch sowas von nichts mitbekommt und dir eigentlich auch wirklich, wirklich gefällt was er da macht. Er ist ein Mann flüstert die Stimme in deinem linken Ohr. Die wissen meistens nicht was sie wollen und vermutlich ist er einfach nur verunsichert, weil du ihn so umgehauen hast. Und du willst ihn ja auch nicht gleich heiraten. Er hat gesagt er mag dich. Da ist Luft nach oben. Das reicht uns doch schon. Sei einfach cool. Ding! Ding! Ding! Wir haben einen Gewinner!
„Es ist jetzt aber nicht nur Sex, oder?“, fragst du ihn leise, als es sowieso schon für alles zu spät ist und du, selbst wenn er jetzt einfach ja sagt, eh nicht mehr aufhören kannst und willst. „Nein, das nicht.“, keucht er ein bisschen atemlos und küsst dich gleich darauf so intensiv, dass dir die Luft wegbleibt. „Ich mag dich echt.“, flüstert er und das ist das Letzte was du an zusammenhängenden Sätzen von ihm oder von dir an diesem Abend noch hören wirst.
Mark bleibt über Nacht. Ganz selbstverständlich schiebt er seinen Arm unter deinen Kopf und zieht dich in die Löffelchenstellung. Er ist der große Löffel. Während du in seinen Armen weg döst küsst er sanft deine Schultern und drückt seine Nase in deinen Nacken. „Du riechst so gut.“, murmelt er und du lächelst, obwohl er das in der Dunkelheit gar nicht sehen kann. Es ist die ehrlichste Art von Lächeln die nur für dich selbst existiert und keine Zeugen braucht. „Willst du nicht auch langsam einschlafen?“, fragst du ihn, halb in seinen Arm und halb in dein Kissen sprechend. „Nein.“, lässt er dich wissen. „Ich will nichts hiervon verpassen.“ Mit diesem Gedanken schläfst du ein.
—- PAUSE—– Fortsetzung folgt
Bild: pixabay
Der Beitrag Warum wir ihm (nicht) glauben sollten. Eine Tragödie in drei Akten. erschien zuerst auf Studiblog.