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Teil 2: Warum wir ihm (nicht) glauben sollten. Eine Tragödie in drei Akten.

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—Pause Ende—

Ersten Akt verpasst?

Hier geht es zum ersten Teil der Artikelreihe (Klick).

Erneuter Aufzug 2. Akt

Du wachst auf und riechst den Mann neben dir noch bevor du die Augen aufmachst. Mark. Du wirst ein bisschen rot bei dem Gedanken an die letzte Nacht und die Schmetterlinge rammen dir ihre Flügel förmlich in deinen Bauch. Aua. Kann verliebt sein weh tun? Moment! Was? Verliebt sein?! Alle Schmetterlinge ziehen sich zu einem schweren Klumpen zusammen und setzen sich irgendwo in deiner Magenregion fest. Shit! Cool bleiben, sagst du dir und bemühst dich um eine möglichst ruhige Atmung. Mark muss ja nicht unbedingt etwas von deinem morgendlichen after-Sex Panikanfall mitbekommen. Aber ein vorsichtiger Blick über deine Schulter sagt dir, dass Mark sowieso nicht mal mitbekommen würde, wenn der Suchtrupp das Haus stürmen würde. Mark ist ein Mann. Mark schläft selbstzufrieden und glücklich nach dem Sex mit einer schönen Frau. Mark ist ganz offensichtlich nicht du. Mark hält keine ernsten Zwiegespräche im Halbschlaf mit sich selbst und seinen Emotionen. Mark lässt die Dinge auf sich zukommen. Mark lebt (oder schläft) im Moment. Du beschließt mehr wie Mark zu sein.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der Mark immer noch wie ein Toter im Bett neben dir liegt und du die Stimmen in deinem Kopf kaum zur Ruhe bringen kannst ist dir klar, dass du in dieser Hinsicht nicht wie Mark sein kannst und jetzt aufstehen musst. Du steigst vorsichtig aus deinem Bett, ziehst dir den Morgenmantel über und gehst ins Bad, wo du dich unter die kalte Dusche stellst. Kühles Wasser hilft einen kühlen Kopf zu bewahren, denkst du dir und liegst damit sowas von falsch.

In der Küche machst du Kaffee und suchst essbares zusammen, das man charmant als Frühstück präsentieren könnte. “Aber vielleicht ist das zu viel?”, fragst du dich. Vielleicht will er gar nicht frühstücken und indem du welches anbietest wirkt es, als würdest du klammern oder wärst verzweifelt auf der Suche nach jemandem, dem du Frühstück machen kannst? Ich will aber nichts Festes. Hallt es durch deinen Kopf und der Schmetterlingsklumpen in deinem Bauch wird noch ein bisschen schwerer. Wieso, verdammt, ist das so kompliziert? „Guten Morgen, Hübsche.“, sagt er und umarmt dich von hinten. Er küsst dich auf die Schulter und zieht deinen Morgenmantel ein wenig zur Seite. „Guten Morgen.“, grinst du und kannst dir nicht helfen. Gefühlt tausende Ameisen besiedeln das Innere deines Körpers und es kribbelt überall. „Hab ich dich erschreckt?“ Ein bisschen. Aber nicht der Rede wert. „Machst du grade Frühstück?“, fragt er und schaut sich in deiner winzigen Küche um. Ooops. „Ich hab grade geschaut was ich da hab. Ich bin nämlich eines der Mädchen das morgens etwas Essen muss. Willst du auch was?“ „Gern.“, sagt er und schenkt dir ein Lächeln. „Kann ich dir irgendwie helfen?“ Wuuhuuu! Du bist sehr stolz auf dich. Das hast du cool gemeistert.

Er sitzt in Boxershorts auf deinem Hocker und isst Spiegeleier mit Toast. Ihr habt alles auf ein Teller gepackt und esst jetzt gemeinsam davon. „Probier mal.“, sagt er und füttert dich mit Speck. „Hab ich nicht schlecht hinbekommen, oder?“ Du lobst ihn nicht, weil er es geschafft hat den Speck nicht zu verbrennen, findest es aber trotzdem süß. „Was hast du denn heute noch vor?“, fragt er zwischen den letzten zwei Bissen. Der Klumpen in deinem Magen verwandelt sich wieder in Schmetterlinge. „Nicht viel.“, antwortest du betont lässig. „Am Nachmittag bin ich mit einer Freundin verabredet.“ „Willst du den Tag dann vielleicht mit mir verbringen?“ Willst du? Na klar willst du! Buntes Konfetti, fliegende Einhörner, Regenbögen! Alles spielt sich vor deinen Augen ab.

Mark und du verbringt den ganzen Tag zusammen, bis du dich mit deiner Freundin triffst. Ihr verbringt natürlich viel Zeit im Bett, lasst um die Mittagszeit den Lieferservice kommen und kuschelt Pizza essend vor dem Fernseher. Er erzählt dir von seiner Familie, wie toll er sein Studium findet und dass er schon mit zwölf angefangen hat zu tanzen. Er ist nicht religiös, aber ihr redet auch darüber. Über Gott und die Welt und die politischen Auswüchse in allen Ländern der letzten Zeit. Du erzählst ihm auch von deinen Zielen und Träumen im Leben und er sagt dir wiederholt, wie faszinierend er dich findet. „Du bist wirklich eine tolle Frau.“, erklärt er bewundernd und anerkennend. „Du siehst nicht nur gut aus, du bist auch intelligent und witzig.“ Du kannst dem nichts hinzufügen.

Bei der Verabschiedung sagt er dir wie ungern er jetzt geht und fragt dann ob du am nächsten Abend Zeit hast. Hast du nicht, weil da die Feier einer Freundin ist, aber du bietest ihm an, dich am Tag darauf wieder zu sehen. Mark sagt er freut sich, küsst dich zum Abschied ganz lange und lässt dich und deine Schmetterlingsplantage alleine in deiner Wohnung zurück. Du tanzt ein bisschen, drehst Musik auf und machst dich fertig um dich mit deiner Freundin zu treffen.

Innerhalb von 30 Minuten nach deinem Eintreffen in eurem Lieblingscafé weiß deine Freundin Kathi über alles bescheid und ist auch der Meinung, dass Mark voll auf dich steht. „Oh mein Gott der steht ja voll auf dich!“, quietscht sie und schlürft an ihrem Latte. „Meinst du?“ „Ja aber klar!“, schreit sie fast. „Ich mein, hallooo?? Du bist etwas Besonderes?! Er maaaaaag dich!“, sie kichert. „Er bleibt über Nacht UND er will dich wieder sehen! Also wenn das keine Zeichen sind, dann weiß ich auch nicht!“ Du gibst deiner Freundin recht. Das sind schon Zeichen. Gute Zeichen. „Ja, aber er hat eben doch auch gesagt, dass er nichts…“ „Ach papperlapapp!“, wischt Kathi deine leisen Zweifel mit einer energischen Handbewegung vom Tisch. „Das hat er wahrscheinlich einfach nur so gesagt. Du weißt doch wie Männer sind!“ Weißt du das wirklich? „Ganz ehrlich.“, sagt Kathi jetzt und beugt sich zu dir vor. „Er kann ja viel sagen, aber das worauf es wirklich ankommt, ist das was er tut! Genau das steht ja immer auf diesen traurigen Facebook-Posts von irgendwelchen „Die-Wahre-Liebe“-Seiten. Und du willst ja jetzt auch nicht sofort mit ihm zusammen sein.“ Da hat sie recht. „Ihr lernt euch jetzt einfach mal richtig kennen und dann seht ihr weiter. Aber es ist auf jeden Fall Raum für mehr da.“ Kathis Wort in Amors Ohren.

Ende 2. Akt

Aufzug 3. Akt.

Im Laufe der nächsten Wochen scheint es so, als würde Liebesgott Amor deiner Freundin Kathi tatsächlich Gehör schenken. Mark, der sich eines Abends unverhofft als Tanzpartner in dein Leben gedreht hat, hat sich auch zu einer anderen Art Partner entwickelt. Er tanzt zwar nicht mehr mit dir und ihr geht auch sonst kaum nach draußen, aber alles was sich zwischen deinen und seinen vier Wänden abspielt lässt dich förmlich durch deinen Alltag tanzen. Wenn ihr euch seht, habt ihr in den allermeisten Fällen auch Sex, oder knutscht und fummelt zumindest ein bisschen rum, aber du hast nicht das Gefühl, dass es ausschließlich darum geht. Es hat sich eine gewisse Routine bei euren Treffen entwickelt. Meistens kocht ihr gemeinsam, oder seht einen Film. Es gibt immer eine Art „Einleitung“ eurer Zweisamkeit und du kommst dir nie gedrängt vor.

Einmal schreibt Mark dir spät abends ob du vorbeikommen kannst, es gehe ihm nicht so gut und er wolle kuscheln. Nur kuscheln. Du fährst zu ihm, bringst Schokolade und einen „Gute Laune“-Tee mit. In seiner Wohnung macht ihr es euch auf dem Sofa bequem und er legt seinen Kopf in deinen Schoß, lässt sich von dir streicheln und heult dir über die absonderliche Schwierigkeit seines aktuellen Praktikums vor, bei dem er es sich schon nach dem ersten Tag ernsthaft überlegt alles hinzuschmeißen. Du hörst dir alles an, redest ihm gut zu und gibst dich einfühlend und verständnisvoll, denn das tuen Freundinnen nun mal, oder?

Das F-Wort. „Freundin“. Ein gefährliches Wort. Ein Wort, das du in Marks Gegenwart noch nie in den Mund genommen hast oder auch sonst subtil angesprochen hättest, denn hinter dem Wort „Freundin“ lauern Erwartungen, Commitment und vielleicht auch ein bisschen Verantwortung. Alles wahnsinnig unsexy. Alles so gar nicht wie Mark. Und in Wahrheit fragst du dich ob zwischen euch überhaupt etwas an- oder ausgesprochen werden muss, denn eigentlich sprechen seine Handlungen, Taten und Worte doch für sich.

„Es ist so schön mit dir.“, sagt er als er in deinen Armen liegt. „Und es ist alles so unkompliziert, weißt du?“ Ähm…nicht so wirklich, aber für ihn anscheinend schon. „Ich fühl mich einfach richtig wohl mit dir. Kann man dich mieten?“ Mieten?! Das findest du jetzt aber schon ein bisschen komisch, schließlich kann man dich nicht nur „mieten“ sondern sogar ganz haben! Offiziell! Weil inoffiziell hast du die leise Vermutung, dass du ihm eigentlich schon gehörst oder dich zumindest zugehörig fühlst.

Das wirklich verrückte an der „Sache“ mit Mark für dich ist, dass du dich in seiner Gegenwart so gut und wohl fühlst und sich alles leicht anfühlt. Kaum ist er aber weg oder meldet sich ein, zwei Tage nicht, ist die Leichtigkeit dahin und du hängst an deinem Smartphone in der Hoffnung, er schreibt dir zurück. Du schlussfolgerst daraus, dass das Problem nicht Mark sein kann, weil es dir mit ihm ja fantastisch geht und du auf luftigen Wolkenhöhen schwebst. Nur ohne ihn geht es dir schlecht. Oder zumindest nicht so gut. Es ist irgendwie kompliziert.

„Warum redest du nicht einfach mal mit ihm?“, fragt dich eine Freundin eines Nachmittags auf ihrem Balkon, nachdem ihr wieder mal deine „Beziehung“ zu Mark analysiert habt. Mit ihm reden? DARÜBER? Du schaust deine Freundin entgeistert an. „So wie ich das sehe, hast du zwei Möglichkeiten.“, meint diese Achselzuckend. „Entweder du redest mit ihm und hast endlich Klarheit in dieser Sache, oder du redest nicht mit ihm und alles bleibt beim Alten und du hängst weiterhin in der Luft.“ Du verfluchst deine Freundin und ihre pragmatische Logik ein bisschen. „Und eigentlich.“, fügt deine Freundin hinzu. „Bleibt sowieso nichts ‚beim Alten‘, weil Beziehungen ja etwas Dynamisches sind und sich dauernd verändern. Genaugenommen kannst du dich jetzt also entscheiden aktiv eine Richtung für dieses weitere Beisammensein vorzugeben oder du lässt es auf dich zukommen.“ Die kleine Stimme in deinem Kopf, die von Anfang an ein bisschen gegen Mark gearbeitet hat lacht darüber spöttisch. Ja klar, lass es ‚auf dich zukommen‘. Weil es dir damit in den vergangenen Wochen ja schon so gut gegangen ist! Pfh! Du möchtest die kleine Stimme ignorieren, aber sie bleibt hartnäckig mitteilungsbedürftig. Du kannst in diesem Fall nichts auf dich ‚zukommen lassen‘, weil du nämlich Teil des Ganzen bist. Etwas auf einen zukommen lassen kann immer nur ein Unbeteiligter. Einer der nicht investiert ist. Und das bist du nicht. Stimmen im Kopf gehören abgeschafft.

Ein paar Tage später ist es dann wieder so weit. Mark liegt schwer atmend aber befriedigt neben dir und drückt dir einen Kuss auf die Schläfe. Du streckst dich gemütlich neben ihm und küsst ihn flüchtig zurück. „Ich hüpf mal gleich unter die Dusche.“, sagst du und willst gerade vom Bett aufstehen als er seine Arme um deine Hüften schlingt und dich zurück an seine Brust zieht. „Nicht abhauen, Prinzessin.“, murmelt er in deine Schulter und beißt dich sanft. Du kennst Mark mittlerweile schon und dir ist klar, dass er in ungefähr zwei Minuten eingeschlafen sein wird. Rede JETZT mit ihm!, fordert die kleine Stimme. Geh sterben kleine Stimme, denkst du dir und weißt doch, dass sie irgendwie recht hat. „Duuhu…Mark?“ „Hmm?“ Du drehst dich in seinen Armen um. Ihr liegt Kopf an Kopf. Er schaut dich aufmerksam an. Worte scheinen sich nur wirr in deinem Kopf zu formen und weigern sich über deine Lippen zu kommen. Ohje. Reden ist schwer. Du holst einmal tief Luft, schließt kurz die Augen als würdest du gleich durch einen brennenden Reifen springen oder eine ähnlich waghalsige Aktion abziehen und lässt den Satz: „Wie ist das jetzt eigentlich mit uns?“ einfach aus dir raus explodieren.

Schock. Alarm. Panik. All das beschreibt den Ausdruck in Marks Augen relativ umfassend. Du weißt, dass das kein gutes Zeichen ist. „Wie meinst du?“, fragt er und es ist eine dieser Fragen die Leute stellen um Zeit zu gewinnen. Dir ist klar, dass du jetzt nicht mehr zurück rudern kannst und deswegen beschließt du das durchzuziehen. „Ich meine.“, erwiderst du betont langsam während du dich in deine Decke einwickelst und aufsetzt. „Was das zwischen uns ist.“ Von Mark kommt keine Reaktion. Vielleicht ist er im Schock verstorben? Du riskierst einen Blick zu deiner Seite und findest Mark atmend und funktionstüchtig neben dir liegen. Gut. Du hast also keinen Mann in deinem Bett zu Tode erschreckt indem du eure Beziehung definieren willst. Du verbuchst das als kleinen Sieg. Trotzdem antwortet er dir nicht. „Ist es nur Sex?“, bohrst du nach und willst es jetzt auch wirklich wissen. Mark seufzt so schwer als hätte er die Lasten aller Welt zu tragen. „Nein, es ist nicht nur Sex.“, sagt er. Du weißt, dass wenn die kleine Stimme könnte, sie jetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sich die Haare raufen würde. „Und was ist es dann?“

—Atem-Pause—

Der Beitrag Teil 2: Warum wir ihm (nicht) glauben sollten. Eine Tragödie in drei Akten. erschien zuerst auf Studiblog.


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