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Erneuter Aufzug 3. Akt
Nichts. Er sagt nichts. Mark ist stumm. Taub ist er nicht, weil es ganz offensichtlich ist, dass er dich verstanden hat. Nun gut, verstanden ist vielleicht das falsche Wort, aber gehört hat er dich. Das auf jeden Fall. „Was ist das zwischen uns?“ Mit dieser Frage hast du die Büchse der Pandora aller Beziehungen des 21. Jahrhunderts geöffnet und kannst sie auch nicht mehr verschließen. Mark kann das auch nicht, obwohl es so scheint als würde er gerne.
„Ich…ähm…“ Er stottert. Ernsthaft?! Wie armselig ist das denn? „Ich…“ Nach dem dritten Anlauf wird es dir zu blöd. „Also es ist nicht nur Sex, aber eigentlich ist es nur Sex? Oder wie?“, stellst du ernüchtert fest. Mark vermeidet es dich anzusehen und vergräbt die Hände im Gesicht. Was für ein Loser. Wenn er jetzt wieder mit ‚Aber ich mag dich echt gern und du bist wirklich toll‘ kommt schlägst du ihn. Garantiert. Du musst lachen, obwohl du auch weinen könntest und es klingt ein bisschen hysterisch verzerrt. „Fabelhaft.“, sagst du betont fröhlich und stehst vom Bett auf, das Laken fest um dich gezogen. Der Typ sieht dich nicht mehr nackt, denkst du dir. „Dann darf ich dich an dieser Stelle wohl bitten zu gehen.“ Mark sagt nichts, schaut dich aber mit hängenden Schultern traurig an. Oh nein, der Hundeblick funktioniert bei dir nicht, du bist Katzenfreundin und deswegen versuchst du so selbstbewusst und grazil wie möglich in deiner weißen Verhüllung an Mark vorbei zu schreiten.
In deinem Badezimmer atmest du tief durch und betrachtest dich im Spiegel. Lässt sich nicht vermeiden, wenn dir der Hängekasten auf Augenhöhe gegenüber hängt. „Was machst du da nur?“, flüsterst du deinem Spiegel-Ich zu und beobachtest deine ratlose Reflexion für ein paar Minuten lang schweigend. Tja, da habt ihr wohl beide keine Ahnung, aber glücklich seht ihr nicht aus. Die Schmetterlingsgefühle in deinem Bauch haben sich in schwere Hinkelsteine verwandelt und du hast ein bisschen Angst in deiner Badewanne zu ertrinken.
Du kannst dir nicht helfen, aber du kommst dir schon irgendwie benutzt vor. Na bitte! Mault die kleine (vermutlich) Engel-Stimme resigniert, aber auch mitfühlend, auf deiner rechten Schulter als die ersten Tränen zu kullern beginnen. Da haben wirs! Herzschmerz und Gefühlschaos, wie ich es vorhergesagt habe! Aber hört je irgendjemand auf mich? Nein! Ach bitte! Mischt sich da die (vermutlich) kleine Teufelchengestalt auf deiner linken Schulter ein: Das hat doch nun wirklich niemand vorhersagen können, dass dieser Mark so ein Arsch ist! Oh doch! Eben schon! verlautbart die Engel-Stimme sogleich. Er wollte sich nie festlegen und hat gleich am Beginn gesagt, dass er nichts Festes sucht. Und ich erinnere daran was die weise Freundin damals im Club schon von wegen Womanizer-Ruf gesagt hat! Ja, aber zwischen ‚nichts Festes‘ suchen und jemanden emotional auszubeuten indem man ihn glauben und hoffen lässt, dass da Potential für ‚mehr‘ sein könnte liegen auch Welten!! Und jemanden kategorisch zu verurteilen nur weil andere schlechte Erfahrungen mit ihm gemacht haben, die- ganz nebenbei- ja auch immer subjektiv sind, ist doch auch nicht fair. Die Stimme an deinem linken Ohr schweigt betreten dazu und auch du stimmst dem was gerade gesagt wurde zu.
Du hattest Grund in diese ‚Sache‘ mit Mark zu investieren. Selbst wenn deine Gefühle und Schwärmerei für ihn nicht schon Grund genug gewesen wären so hat er dir mit seinen Komplimenten, den Verabredungen und den kleinen Aufmerksamkeiten schon Bestätigung gegeben dran zu bleiben. Und er hat auch gesagt, dass es nicht nur Sex ist! erinnert die Stimme in deinem linken Ohr. Und dass er schon mehr für dich empfindet. Ja, aber als er das gesagt hat wollte er eben Sex! erwidert die andere Stimme und danach wird es in deiner Badewanne sehr still, weil alle Stimmen in deinem Kopf inklusive dir betreten schweigen. Genau. Er hat das alles gesagt, weil er Sex wollte.
Diese Erkenntnis trifft dich wie ein Schlag in die Magengrube, was schmerzvoll ist, weil die eben mit versteinerten Schmetterlings-Hinkelsteinen gefüllt ist. Mark ist ein Arschloch. Ein richtig mieses Arschloch. Und feige ist er! Mann, ist der feige! Wieso kann er nicht einfach sagen was es für ihn ist und was es für ihn nicht ist?! Aber das hat er doch gesagt… Erinnert die rechte Stimme leise. Ja aber er hat auch ganz viel anderen Scheiß gesagt, der diese eine Aussage von wegen ‚nichts Festes etc.‘ relativiert hat! empört sich die linke sofort. Ja, denkst du dir und schüttest dir fast einen halben Liter Badepulver in deine Wanne in der Hoffnung dir damit sauberer vorzukommen. Was aber auch immer gesagt, getan oder interpretiert wurde, so oder so sitzt du jetzt verheult und verletzt in deiner Badewanne und überlegst dir ernsthaft sie nie wieder zu verlassen.
Als du dein Badezimmer, vermutlich erst nach Stunden, räumst ist Mark immer noch da. Komplett angezogen lehnt er in deinem mini-Flur und schaut dich betreten an. Du wirfst ihm einen bösen Blick zu. „Ist noch was?“, fragst du unterkühlt und musst dich ein bisschen beherrschen um nicht zu schreien, dass er jetzt verdammt noch mal seinen unbehaarten Arsch aus deiner Wohnung schaffen soll. „Ich will so nicht gehen.“, sagt er leise und kommt auf dich zu. ‚Oh nein‘, schießt es dir durch deinen Kopf und du ziehst ein bisschen panisch und verzweifelt dein Handtuch enger um deinen Körper.
Ihr redet. Darüber, dass das mit Gefühlen kompliziert ist und Mark nicht genau weiß was er will. Du sagst ihm, dass du nur mit jemandem zusammen sein will, der auch 100% sicher ist, dass er dich will. Jeder sollte das wollen, weil jeder das verdient. Ihr seid euch sympathisch und da war von Anfang an eine Art Vertrautheit und Verbindung zwischen euch da die auch Mark gespürt hat. Es wäre schade das alles hinzuschmeißen und zu verlieren meint ihr. Es klingt nach einem guten Plan als er vorschlägt einfach nur befreundet zu sein. Du fühlst, dass das eine echte Option ist, weil Mark und du viele Gemeinsamkeiten habt und euch eben auch außerhalb des Schlafzimmers gut versteht. Ja, wenn da eine ganz klare Trennung zwischen körperlicher und emotionaler, freundschaftlicher Ebene ist, kannst du und willst du mit ihm befreundet sein.
Ein paar Wochen vergehen und dein Kumpel Mark und du verbringt recht viel Zeit zusammen. Ihr geht ins Kino, verabredet euch zum Kekse essen, schaut dämliche Videos auf seinem PC und tauscht euch über Fantasy Buchreihen aus. Alles ganz freundschaftlich. Alles ganz easy. Hin und wieder nimmt er deine Hand oder nimmt dich auch mal in den Arm, aber nichts was aus dem Rahmen fällt. Ihr gewöhnt euch erst daran Freunde zu sein und jeder Anfang ist vielleicht ein bisschen holprig, aber dir liegt etwas an Mark dem Menschen an sich und du bist bereit das durchzustehen.
Mark hat schon einmal vorgeschlagen, dass ihr doch Freunde mit ‚Extras‘ (=Sex) sein könnt, aber das lehnst du ab, weil dir klar ist, dass für dich casual Sex mit diesem Mann nicht funktioniert und du auch nicht ausprobieren willst ob es irgendwann für dich klappt. Dafür masturbierst du auch einfach zu effektiv und das hast du generell einfach nicht nötig. Es hilft dir, dass du jetzt klar von Mark weißt, dass er nichts von dir will, weil du dir keine falschen Hoffnungen mehr machst, nicht den Stress hast in ‚etwas‘ zu investieren und dich so vollkommen von dieser Idee verabschieden und distanzieren kannst. Als du das Mark gegenüber erwähnst meint er etwas kryptisch: „Du unterstellst mir da grad einen ziemlich gefestigten Charakter.“ So viel also zur Klarheit.
Es kommt wie es anscheinend kommen muss und eines Abends küsst ihr euch dann doch. Und das ist kein freundschaftlicher Kuss (sollte es so etwas überhaupt geben). Überrascht stellst du fest, dass du Mark küssen kannst ohne dabei amouröse Gefühle zu entwickeln und du redest dir ein, dass die ‚harmlose‘ Nähe nichts an eurem freundschaftlichen Verhältnis zerstört. Aus küssen wir anfassen, aus anfassen wird fummeln und bei jedem Treffen habt ihr ein bisschen weniger an bis du die Notbremse ziehst. Die Stimmen in deinem Kopf melden sich schon gar nicht mehr, so entnervt sind sie von dir.
Und dann passiert das was passieren muss und von dem du eigentlich auch weißt, dass es irgendwann passieren wird: er fasst dir beim Fummeln geschickt zwischen die Beine und deine Libido saugt seine Hand und alles was folgt förmlich ein. Oh Gott ist das gut! Adieu Vernunft und Hausverstand! Hallo Unzucht und Torheit! Du lässt dich fallen in dem was da mit dir passiert, lässt dir von ihm sagen wie schön du bist, wie gut du dich anfühlst und schmeckst. Du willst einfach nur spüren. „Na wenigstens willst du meinen Körper.“, entfährt es dir lachend in einer kurzen Verschnaufpause. „Du bist so dumm.“, flüstert er und küsst dich. „Warum?“, fragst du. „Weil du weißt, dass es nicht nur das ist.“, antwortet er.
Da sind sie wieder, die Schmetterlinge, die elendigen Biester.
Ihr kommt gemeinsam, weil ihr schon gut eingespielt seid und die Welt dreht sich ein bisschen. „Wow.“, haucht er. „Was denn?“, fragst du ein bisschen neckisch und gespielt unschuldig. „Pfh, nichts!“, lacht er atemlos und streicht dir mit einer Hand über den Rücken. „Das war unglaublich.“ Du lächelst glücklich. Du findest auch, dass es gut war. Umso überraschter bist du als er dich ein paar Sekunden darauf fragt wie spät es ist. „So acht herum schätze ich.“, antwortest du leicht irritiert. „Shit! Dann muss ich jetzt gehen!“, meint er und hüpft aus dem Bett. Bitte was?! Alle beide Stimmen in deinem Kopf schalten sich schlagartig gleichzeitig nach Tagen der Funkstille wieder ein. Ein kleiner Teil in dir hofft sich verhört zu haben. Aber du hast dich nicht verhört. „Ich bin heut um acht mit Freunden in ner Bar verabredet.“
Du bleibst regungslos im Bett liegen während er Licht einschaltet und sich in Windeseile seine Klamotten zusammensucht und anzieht. Das kann doch alles nur ein Albtraum sein. Du ziehst dir die Decke bis ans Kinn. Du fühlst dich immer noch nackt. „Es tut mir voll leid.“, sagt er und setzt sich verkrampft auf deine Bettkante. „Ich lass dich echt ungern hier wie so ein altes Sandwich liegen.“ Kann denn das hier noch furchtbarer werden?! Bring ihn um! schreien die beiden Stimmen in deinem Kopf aus vollen Kehlen. Das ist kein Verlust für die Menschheit! Du schaffst es nicht dich aus deiner Schockstarre zu befreien. „Geh nur.“, sagst du leise, weil er sowieso gehen wird und du wenigstens ein bisschen dein Gesicht bewahren kannst indem du so tust als würde dich das nicht weiter berühren.
Er geht. Zweimal hörst du ihm aus dem Flur „Tschüss“ rufen bevor er die Tür ins Schloss fallen lässt. Du antwortest nicht. Du liegst einfach nur da. Komplett bewegungslos. Eine ganze Stunde lang. Dann übergibst du dich am WC und kotzt den letzten Schmetterling aus dir raus bevor du alles im Klo runterspülst und der Kanalisation übergibst. Ist das gerade wirklich passiert?
Am nächsten Tag zu Mittag bekommst du eine SMS von Mark: Hey, es tut mir echt leid, dass ich gestern so abrupt gegangen bin. Und auch, dass ich es, obwohl du mir gesagt hast, wie das für dich ist, wenn du mit jemandem bzw. mit mir intim wirst, so darauf angelegt habe, dass wir letztendlich miteinander im Bett landen. Ich hab dich echt gern und hätte es eigentlich besser wissen sollen, als unsere Freundschaft dafür zu riskieren, einfach weil ich dich scharf finde. Ich habe echt ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil ich dich verletzt habe :(.
Fick dich lieber Mark. Im Namen aller Frauen: Fick dich einfach.
Als er sich ein paar Wochen darauf wieder meldet blockst du seine Nummer und wiederstehst auch der Versuchung sie wieder zu un-blocken als du einen dieser typischen vertrottelten Rückfälle hast bei denen wir uns einreden, dass doch alles gar nicht so schlimm war und man ja vielleicht wirklich eine wertvolle Freundschaft verliert. Aber du überkommst all diese Tücken und betrachtest dich einige Zeit später, kurz bevor zu zum nächsten Tanzabend aufbrichst, prüfend im Spiegel. Du magst dein neues Accessoire. Es nennt sich Rückgrat. Rückgrat steht dir. Es verleiht dir Haltung und Ausstrahlung und dem nächsten Typen glaubst du einfach, wenn er sich wie ein Arschloch verhält. Dear Fuckboys: Try to be an asset. Not a pain in the ass.
—-Der Vorhang fällt—
The End
Der Beitrag Teil 3: Warum wir ihm (nicht) glauben sollten. Eine Tragödie in drei Akten. erschien zuerst auf Studiblog.